Was genau ist ein Digitaler Nomade und wie lebt er? Interview mit Mirjam Kilter

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Sie wollen die Welt bereisen, flexibel und frei sein und dabei ortsunabhängig arbeiten: die sogenannten digitalen Nomaden. 🌍🌴✈️ Mirjam Kilter, ehemalige Volontärin bei der #SMWHH, gehört dazu und hat sich dazu bereit erklärt, uns einige Fragen darüber zu beantworten.
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1. Du hast selbst den Ausstieg aus dem klassischen Berufsleben versucht. Wie kam es dazu?
Ich habe 2015 mein Leben einmal komplett auf den Kopf gestellt. Ich bin mit einer Abfindung aus meinem 9to5 Job, 40 Stunden die Woche, raus und wusste dann erst mal nicht so recht, was ich machen wollte.
Ich bin dann auf Reisen gegangen und habe eine Sprachschule besucht und dann war ich mit dem Camper unterwegs. In Neuseeland habe ich dann jemanden kennengelernt, der auf Reisen war und dabei gearbeitet hat. Diese Art der Arbeit war mir völlig neu und ich fand das total faszinierend. Als ich dann zurück nach Deutschland kam, war mir eines auf jeden Fall klar. Ich wollte nicht zurück in einen 40 Stunden Job. Ich wollte irgendwas anderes machen, etwas das mir vielleicht auch dieses Leben ermöglicht, zu reisen und zu arbeiten. Ich hab mich dann sehr intensiv mit dem Thema beschäftigt. Also was kann ich machen, um mir meinen Traum zu ermöglichen. Über Blogger werden, Amazon FBA oder passivem Einkommen war alles dabei. Mit all dem konnte ich mich aber überhaupt nicht identifizieren, bis ich dann beim Online Marketing gelandet bin. Ich entschied mich also für eine Weiterbildung zur Online-Marketing-Managerin und habe danach als Volunteer bei der Social Media Week den Kontakt zu einer Agentur bekommen und habe dort ein Praktikum absolviert. Diese Agentur hat mich dann auch übernommen und ich habe für 2,5 Jahre Teilzeit gearbeitet.
Nach einiger Zeit hatte ich mich eingearbeitet und eingelebt und hatte meinen Traum so ein bisschen vergessen. 2018 war ich dann wieder im Ausland und zwar vier Wochen in Vietnam, da wurde ich wachgeschüttelt und wieder an meinen Traum erinnert. Dann war es für mich klar, ich muss es ausprobieren. Ich hatte inzwischen alles was ich brauchte und konnte mich selbstständig machen. Und im November 2019 war es dann offiziell soweit und im Januar 2020 startete ich meine Reise.
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2. Ab wann ist man digitaler Nomade und würdest du dich selbst als einer beschreiben?
Ehrlich gesagt würde ich mich nicht als Digitale Nomadin bezeichnen, vielleicht eher als Teilzeit-Nomadin, ich habe weiterhin eine Wohnung und schätze sie auch sehr. Ich brauche eine Base, aber ich genieße es auch, jederzeit reisen zu können. Für mich persönlich ist ein echter Digitaler Nomade wirklich jemand der permanent reist und dabei arbeitet. Aber ich denke es ist wohl auch eine Auslegungssache, weil ich glaube man kann auch ein Digitaler Nomade sein, wenn man einfach nur digital arbeitet und das kann ja auch von der eigenen Wohnung sein.
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3. Was sind die größten Chancen aber auch die Risiken für das digitale Nomadenleben?
Als sehr großen Pluspunkt sehe ich die Freiheit die man hat, wenn man ortsunabhängig arbeitet. Aber gleichermaßen auch die Herausforderung mit der Freiheit umzugehen. Arbeite ich jetzt oder gehe ich lieber an den Strand, oder arbeite ich in einem Café am Strand oder in der Hängematte. Also wie strukturiere ich meinen Alltag. Mir ist es am Anfang sehr schwergefallen und erst später habe ich herausgefunden, was ich brauche damit ich gut arbeiten kann. Man muss sich einfach selbst gut motivieren und strukturieren können. Mir hilft ein CoWorking Space und ein Tisch und ein Stuhl, um mich konzentrieren zu können.
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4. Gibt es Jobs, die besonders gut für das digitale Nomadenleben geeignet sind?
Oft sind es Jobs im Online-Marketing oder Affiliate-Marketing. Aber auch Blogger, Fotografen oder technische Berufe wie Webdesigner, Grafiker etc. eignen sich gut dafür. Inzwischen gibt es ja auch schon Jobbörsen für ortsunabhängige Jobs.
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5. Ist das Nomadenleben ein Modell für die Zukunft oder nur ein kurzfristiger Trend?
Ich glaube, gerade jetzt nach Corona kann ich mir vorstellen, dass viele Firmen gemerkt haben, dass das Arbeiten im Homeoffice ganz gut funktioniert. Als ich mich 2016 für das Thema interessiert habe, habe ich noch nicht so viele Quellen gefunden wie jetzt in 2020. Es ist auf jeden Fall nicht nur ein Trend, sondern ich kann mir gut vorstellen, dass es sich etabliert.
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6. Welche Verbesserungswünsche hast du, die es digital Arbeitenden leichter machen, ortsunabhängig zu agieren?
Schwer zu sagen. Das Wichtigste für einen Digitalen Nomaden ist ein gut funktionierendes Internet. Ohne das sind die meisten aufgeschmissen. Ich war ja am Ende auch nur drei Monate (statt sieben Monaten) unterwegs, weil mir Corona dazwischen kam. Mir hat aber sehr geholfen, dass ich Teil einer Community war die hauptsächlich aus ortsunabhängigen Menschen besteht. Und zwar dem Citizen Circle (Link auf https://www.citizencircle.de) meine Reise startete auch mit einer Konferenz zu dem Thema und hier kann ich auf wahnsinnig viel Informationen zurückgreifen. Wo ist der beste CoWorking Space oder welches Café hat besonders gutes Internet. Welche SIM Karte ist in welchem Land die Beste. All so was hilft mir persönlich ungemein und natürlich auch der Austausch mit Gleichgesinnten.
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